Prolog aus dem Off

Geschrieben am November 28th, 2017 von Gregor Leschig

Dies ist ein Theaterstück. Dies ist kein Theaterstück. Es ist eine Zusammenkunft von Menschen mit unterschiedlichen darstellerischen Kompetenzen. Wir werden ihnen etwas vorspielen. Wir werden ihnen nichts vorspielen. Wir werden so sein. Wir werden anders sein. Wir werden so sein, wie es ihnen erscheint. Wir werden nicht so sein, wie es ihnen erscheint. Wir wollen das Theater retten. Wir wollen das Theater nicht retten. Wir wollen Theater spielen. Wir wollen in dieser Stadt Theater spielen. Wir wollen in dieser Stadt gutes Theater sehen. Wir wollen modernes Theater sehen. Wir wollen konventionelles Theater sehen. Wir werden das Moderne Theater nicht verstehen. Wir werden das konventionelle Theater auch nicht verstehen. Wir werden beides verstehen. Wir werden begeistert applaudieren, ob wir es verstehen oder nicht. Wir wollen jemand anderes sein, als wir wirklich sind. Wir sind jemand anderes als wir wirklich sind. Wir sind professionell. Wir sind semiprofessionell. Wir sind Amateure. Sie werden vergessen, dass wir wir sind. Sie werden erkennen, dass wir wir sind. Wir werden nicht bezahlt. Dies ist unser Hobby. Wir werden schlecht bezahlt. Dies ist unser Beruf. Wir erzählen ihnen eine Geschichte. Wir erzählen ihnen keine Geschichte. Wer die Geschichte erkennt, bekommt freien Eintritt für die nächste Vorstellung. Wer die Geschichte nicht erkennt auch. Wir wollen, dass sie sich in uns einfühlen. Wir werden versuchen, ihnen zu helfen sich in uns einzufühlen. Wir wollen sie berühren. Wir wollen uns berühren. Sie sollen erstaunt sein. Wir wollen Gefühle wecken. Wir haben keine Angst vor Pathos und Kitsch. Wir mutmaßen über die Wahrheit. Wir kennen die Wahrheit. Für einen Moment. Für unseren Moment. In unserem gemeinsamen Moment erkennen wir die Wahrheit. Der gemeinsame Moment, der Theater ist. Wir sind nicht digital. Wir sind real. Unsere Touch-Screen ist unsere Haut. Unsere Touch-Screen ist die Wahrnehmung der Zuschauer während des Spiels durch unsere Sinne. Ihre Touch-Screen ist die Wahrnehmung von uns durch ihre Sinne. Dadurch steuern wir sie. Dadurch steuern sie uns. Wir möchten mit ihnen sprechen. Über ihre Gefühle. Bitte fragen sie uns nicht, wie wir so viel Text lernen konnten. Wir wissen es auch nicht. Wir sind moralisch. Morde passieren trotzdem. Wir sind nicht moralisch. Wir verstehen den Mörder. Wir sind nicht verpflichtet, das Opfer zu verstehen. Wir sind nicht verpflichtet, dass Opfer besser zu verstehen, als den Täter. Wir sind auch nicht verpflichtet, den Täter besser zu verstehen, als das Opfer. Wir sind deutsch. Weitgehend. Wir sind Weltbürger. Wir sind zugewandert. Wir sind Mittelstand. Wir werden Mittelstand gewesen sein. Wir werden unseren Mittelstand vererben. Wir sind Wutbürger. Wir sind das Volk. Wir sind das deutsche Volk. Wir sind globalisiert. Wir sprechen englisch. Wir können andere verstehen. Wir können andere gar nicht verstehen. Uns interessieren die, die wir nicht verstehen können.

Alle Rechte bei: Gregor Leschig 2017

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