Regie als Handwerk

Geschrieben am September 23rd, 2018 von Gregor Leschig

Im Probenraum. Ein Team von Schauspieler*innen auf der Suche nach einer passenden Performance für die Neueröffnung des kommunalen Theaters.

Daryna: Mo! Du bist hier der Regisseur. Du bist der Bühnenkünstler. Mach doch mal eine Ansage.

Mo: Bin ich Regisseur? Bin ich Künstler? Sorry, Leute, aber ich bin kein Künstler. Ich bin Handwerker.

Günther: Ist mir was entgangen? Arbeiten wir mit einem Sanitär-Installateur?

Mo: Das Theater zielt auf Wirkung beim Zuschauer ab, OK? Da ist doch die erste Frage: Welche Wirkung will ich denn erzielen? Will ich politisch sein? Will ich die Leute erziehen? Aufklären? Aktivieren? Will ich sie unterhalten? Will ich unterhalten und politisch sein? Wie kann ich sie berühren? Wenn Du das klar bekommen hast, dann hält die Theatergeschichte von den Schamanen über die alten Griechen bis hin zur Post-Postmoderne eine Menge Werkzeuge bereit, wie diese Wirkung erzielt werden kann. Es kommt vor allem darauf an, die richtigen Werkzeuge für den ausgewählten Stoff zu finden. Oder sich gegebenenfalls selbst ein Neues zu basteln. Da sitzt das künstlerische Moment.

Günther: Verstehe ich nicht wirklich.

Antonio: Aber wir müssen eine neue Richtung im Theater zeigen. Die Zukunft. Wo ist die Richtung?

Mo: Aber das ist doch genau das Theater! Es hat keine Richtung. Und keine Moral. Jedenfalls nicht so eine plattgedrückte, immer gut sein wollende. Es darf uralt sein und unendlich modern.

Anna: Mo, der Bürgermeister kommt gleich. Jetzt mal anders: Welche Form von Theater magst Du denn?

Mo: Gutes.

Uta: Aber welches Stück würdest Du aufführen wollen, wenn das Theater neu eröffnet wird?

Mo: Eins das passt.

Aus: ‚Der Bürgermeister kommt‘, Gummersbach 1917.

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